So sieht die Realität aus

Hallo, alle zusammen,

 

nun bin ich fast schon zwei Monate in Ecuador. Und natürlich ist wieder viel passiert! Jedoch möchte ich heute hauptsächlich über meine Arbeit im Projekt berichten. Ich gehe jeden Tag von Montag bis Freitag in die Escuela Special, einer Schule für behinderte Kinder in Macas. Bevor der Unterricht beginnt versammeln sich alle Schüler und Lehrkräfte für eine gemeinsame Begrüßung auf dem Schulhof.

 

Gerne wird dabei gesungen, getanzt oder ein bisschen Sport gemacht. Zudem fragen die Lehrer dann die Schüler jeden Tag, welches Datum wir heute haben. Anschließend gehen die Kinder in ihre Klasse für den Unterricht. Jedoch muss man sagen, es ist kein Unterricht wie in Deutschland. Die Kinder werden mit Malen oder Spielen beschäftigt. Und sie haben auch keinen festen Stundenplan oder schreiben Klausuren.

 

In meiner Klasse, obwohl ich das eher als Kindergartengruppe beschreiben würde, gefällt es mir gut. In meiner Gruppe sind Kinder mit sehr vielen verschiedenen Behinderungen (Down Sydrom, Autismus, körperliche Behinderungen oder andere geistigen Behinderungen). Auch hier wird morgens gerne musiziert und gesungen. Anschließend spiele ich mit den Kindern und passe auf, dass keines abhanden kommt.

Ein Kind ist besonders aggressiv und man muss es immer im Blick behalten, da es sonst auf die anderen Kinder und auf mich losgeht, was auch schon mal ein bisschen schmerzhaft enden kann. Es kam sogar schon soweit, dass dieser Junge ein Mädchen so schwer am Auge verletze, dass dieses ins Krankenhaus musste.

 

So baue ich morgens vier Stunden Türme aus Lego, lese spanische Kinderbücher und lerne so gleichzeitig Spanisch. Um 9:00 Uhr gibt es immer ein kleines Frühstück. Mein Favorit ist die gekochte Banane mit Rührei. Nach dem kleinen Frühstück wird gerne weiter gespielt, vor allem draußen. Dort gibt es einen eingezäunten Bereich mit einer Schaukel, Rutsche und einem Sandkasten. Die Kinder werden zwischen elf und zwölf Uhr abgeholt. Dann beginnt der zweite Teil meines Aufgabenbereiches, momentan bin ich sehr mit der Gestaltung der Wände des Außenspielbereiches beschäftigt. Wie viele von euch wissen war Kunst nie gerade meine Stärke:) Zum Glück habe ich meine Mitfreiwillige Lana, die mich Tatkräftig unterstützt, damit es nicht in der vollen Katastrophe endet. Das Malen macht mir mittlerweile sehr viel Spaß und ist auch sehr entspannend. Meine zuständige Lehrerin ist wirklich sehr nett und kümmert sich gut um mich. Gerne backt sie für mich Kuchen und ist immer da, wenn ich Probleme oder Fragen habe. Das Gute ist, dass sie auch Deutsch spricht und wenn ich mal wieder nur Spanisch verstehe, kann sie mir auch auf Deutsch weiterhelfen.

 

 

Ein weiter Aufgabenbereich von mir ist die Pferdetherapie, welche ich jeden Donnerstag mit unterstütze. Ich fahre dann gemeinsam mit den Eltern und Kindern im Schulbus ca. 15 min außerhalb von Macas zu einem Reitplatz. Dort werden dann meistens zwei Pferde eingesetzt, die Kinder benötigen häufig meine Hilfe beim Reiten. In meinen Therapiestunden nehmen die kleinsten Kinder teil, diese sind teilweise gerade einmal wenige Monate alt.Was für ich mich eine große Verantwortung ist, nicht nur, weil ich mich auf dem Pferd halten muss, sondern auch ein kleines Wesen in meinen Händen halte. Teilweise haben die Kinder auch, ich nenne es mal Anfälle, auf dem Pferd, was die Sache nicht gerade erleichtert. Nach derzeitigem Stand kann ich sagen – ja, ich bin in meinen Projekt und der damit verbunden Arbeit angekommen. Ich nehme mittlerweile die Kinder nicht mehr als behindert war, sondern als ganz normale Kinder, die lediglich ein anderes Spielverhalten haben. Nun zu einem anderen Thema, welches euch wahrscheinlich auch sehr interessiert: meine Gastfamilie. Leider kann ich euch nicht viel Positives berichten. In der Familie fühle ich mich immer noch nicht integriert, zudem wurden uns auch Mahlzeiten gestrichen. Derzeit befinden ich mich in einem Zwiespalt zwischen bleiben und den europäischen Standard mit warmen Wasser, Strom und WLAN behalten und dafür am Wochenenden auf Essen verzichten ( also natürlich esse ich trotzdem, jedoch muss ich dann Essen gehen). Oder die Familie wechseln mit der Konsequenz in eine arme Familie zu kommen, die mich vielleicht in ihre Familie integriert, ich aber dafür auf einiges Verzichten muss. Macht euch aber keine Sorgen, mir geht es ansonsten sehr gut. Und das liegt natürlich auch daran, dass für mich am 19.10.2017 ein dreiwöchiger Urlaub gemeinsam mit Daniel beginnt. Ich hoffe, ich bekomme in dieser Zeit viel neue Kraft und Motivation für meine anstrengende aber schöne Arbeit. Viele liebe Grüße, eure Selina